Jelondy-Osh - nicht von dieser Welt
Mittwoch, 04.06.2025 - Jelondy - Alichur - 80 km mit dem Taxi - bewölkt, Schnee, sonnig, 0-10 Grad
Unser Fahrer ist pünktlich um 08:30 vor Ort. Beide Fahrräder passen grad so in den Kleinbus. Für HeinzelmannOnTour bleibt da neben den Rädern kaum Sitzkomfort.
10 km vorm Pass Koitezek (4.271 hm) beginnt der Gravel. Hinterm Pass ergeben sich phantastische Aussichten auf Schneefelder, Wolken voller Schnee. Die hundsmiserable Gravelroad zieht sich bis zum Abzweig nach Bulunkul bzw. Langar. Einige Lkw sind im aufgewühlten Erdreich hängen geblieben. Vorbei geht's an den Seen Tuzkul und Sasiqkul.
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alles drin |
Alichur liegt in einem breiten Tal auf 3.880 hm umgeben von zig 5.000ern. Schneeflocken fliegen. Es ist arschkalt. Dagegen ist das gestrige Jelondy geradezu idyllisch gelegen. Lehmhäuser, kein fliessend Wasser, eine zentrale Hand-Wasserpumpe, ein Mini-Market, eine Schule, Kinder und Frauen beim Wasser holen, eine Moschee, Ziegen, Kühe und Yaks. Unvorstellbar wie man hier überleben kann.
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Alichur-Moschee |
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Alichur |
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Alichur-Mini-Market |
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Alichur - zentrale Wasserversorgung |
Das angepeilte Guesthouse Sher's House Inn hat geschlossen, bleibt nur das Homestay Shukrona. Eine nette Familie bietet einen Schlafraum mit 7 Betten an. 200 Somoni (17,00 Euro) inkl Abendessen und Frühstück. Im Haus leben Mutter, Tochter, 4 Kinder, englisch sprechend. Es gibt eine Dusche und ein Stehklo draußen. Die Mutter versorgt das Vieh melkt die Kühe, stellt Joghurt selbst her und unterrichtet ein wenig englisch in der Schule. Die Tochter ist in Mutterschutz, lebt sonst in der Hauptstadt Duschanbe. Ihr Mann arbeitet als Elektriker in Madrid. In Alichur gibt's ein Basic-Hospital, etwas bessere Hospitäler in Khorog und Murghob.
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Homestay Shukrona |
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Homestay Shukrona |
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Zentralheizung mit Holzkohle |
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Die Homestay-Betreiberin |
Beim Bummel durch's Dorf sprechen wir einen Kirgisen an, ob er uns morgen mit seinem russischen Truck auf den nächsten Pass (Neizatash, 4.100 hm) fahren kann. Die ganze Familie, Großvater, Frau, Töchter, Sohn, werden im Wohnzimmer zum Thema einbezogen. Letztlich einigen wir uns auf 450 Somoni.
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wir suchen einen Transport ... |
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... und werden bei einem Kirgisen fündig ... |
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... nicht alle der Familie dürfen/wollen auf's Foto |
Donnerstag, 05.06.2025 - Alichur - Murghob - 104 km, davon 60 mit dem Truck - sonnig, Gewitter, Hagel, Minus 6 - 12 Grad
Wie verabredet ist der kirgisische Truck-Fahrer um 08:30 vor Ort. Die Fahrräder passen perfekt auf die Ladefläche.
Hinauf zum Neizatash-Pass geht's durch unwirkliche Berglandschaften. Der Highway ist so kaputt, dass die wenigen PKW und unser Truck-Fahrer sich den Weg abseits des Highway auf einer provisorischen Gravelroad suchen.
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am Pass auf 4.137 hm angekommen ... |
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... verabschieden wir uns von unserem Truckfahrer |
Nach dem Pass ändert sich die Landschaft vom weiten Tal in rote Felslandschaften, dann wieder ewig weite Landschaften. Surreal. Würde ein Ufo landen und ein grünes Männchen mir die Hand reichen, wär's vollkommen normal.
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Murghob |
Murghob begrüßt mit einer Polizeikontrolle und einigen mehrstöckigen Bauten. Die besten Häuser sind mal wieder die öffentlichen. Murghob ist Verwaltungssitz der Region. Von den wenigen öffentlichen Gebäuden abgesehen, macht Murghob einen bitterarmen Eindruck. Verfallene Häuser, kaputte Dächer, Stromausfall, ganz schwaches Internet, meistens kein Internet. Ein Ort, den man am liebsten sofort wieder verlassen möchte.
Wir beziehen das Erali Guesthouse, da der Besitzer Erali gut vernetzt sein soll, denn wir suchen für die restliche Strecke bis Osh in Kirgisistan eine Transportmöglickeit. Das Guesthouse hat eine Dusche und ein WC. Ansonsten ist es sehr primitiv, nicht grad sauber.
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Blick vom Guesthouse auf Murghob |
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Esszimmer |
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Abendessen mit Italien, Rumänien, Great Britain |
Freitag, 06.06.2025 - Murghob - sonnig, Minus 3 - 10 Grad
Unser Guesthouse-Betreiber hat für uns einen Transport nach Osh, Kirgisistan, organisiert. Ein Fahrzeug wird uns zur Grenze am Kyzyl-Art-Pass (4.336 hm) fahren. Da Tadschiken nicht nach Kirgisistan einreisen dürfen, übernimmt uns ein zweites Taxi am Kyzyl-Art-Pass und fährt von dort zur Einreise nach Kirgisistan zum BarDobo Pass. Dort können wir mit einem bereits genehmigten Border Permit und unserem deutschen Pass visumfrei einreisen. Von dort geht's nach Osh.
Heute ist Eit Mubarak, ein Feiertag. Kinder gehen durch den Ort und verteilen Süßigkeiten. Erali schlachtet ein Schaf und zerlegt es im Schafsfell auf dem Erdboden zusammen mit seiner Frau. Am Nachmittag kommen die Gäste zum Opferfest Eit Mubarak.
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Eit Mubarak - Opferfest = Schlachtest |
Beim Bummel durch den Ort fällt die Armut richtig auf. Man mag gar kein Foto von diesem Elend machen. Deprimierend ist der ganze Ort. Nichtsdestotrotz machen die Menschen einen zufriedenden, die Kinder sogar einen fröhlichen Eindruck.
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Kinder wollen nur ... |
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... auf's Foto ... |
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... und ihre paar Brocken englisch... |
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... testen |
Im Aufenthaltsraum treffen wir den 24jährigen Jock aus London. Ein äußerst offener, interessierter Reiseradler. Er lebte in Shanghai, London, hat schon mehrere lange Touren durch Asien gemacht. Seine Mutter muss mit Expeditionen an Nord- und Südpol eine bekannte Profi-Abenteuerin sein.
Wir treffen Fabian und Irina, zwei deutsche Reiseradler aus Hessen, unterwegs nach Bishkek.
Samstag, 07.06.2025 - Murghob - Osh - 400 km mit dem Taxi - sonnig, bewölkt, Regen, 0 Grad-25 Grad
Was für ein Tag!
07:00. Unser Fahrer mit seinem Pajero steht vor der Tür. Ein Rad kommt auf den Dachträger, eins in den Kofferraum. Erali bekommt das Fahrgeld und los geht's.
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Abfahrt ins 400 km entfernten Osh |
Als erstes geht's durch surreale weite Berglandschaften hinauf zum 4.655 hm Ak Baital Pass. Auf den ersten 50 km ist der Asphalt noch sehr gut und ich dachte, welch traumhafte Radstrecke verpasse ich hier. Sobald es allerdings steiler zum Pass hinauf geht, verliert sich der Asphaltbelag vollkommen, die letzten km sind supersteil.
Die Abfahrt zum Karakul See wird nicht besser.
11:30. Wir erreichen den Grenzübergang zu Kirgisistan kurz vorm Kyzyl-Art-Pass auf 4.336 hm. Unser Fahrer spricht mit zig Grenzern, irgendwann bekommen wir den Ausreisestempel in einem der apokalyptisch aussehenden Grenzgebäude.
Nun folgt bis zum 25 km entfernten Grenzgebäude Kirgisistans Niemandsland. Direkt oben auf dem windgepeitschten Pass hält unser Fahrer bei einigen Grenzern. Dort wartet bereits das kirgisische Taxi. Zwei alte Kirgisen sind damit angereist. Die Ladungen der Taxen werden umgeladen. Die Kulisse um uns wirkt wie in einem Mad Max Film. Zerfurchte Schlammfurten, Schneegraupel, stürmischer Wind, wolkenverhangen. Es geht nun mit dem kirgisischen Fahrer zum kirgisischen Grenzgebäude auf dem Bor-Dobo Pass. Der ganze Bereich dort ist wie ein Hochsicherheitstrakt abgeriegelt. Das Gebäude zur Einreise ist modern und mit Scanner, PC, Kamera ausgerüstet. Unser Border Permit scheint vorzuliegen, denn nach kurzer Prüfung bekommen wir den Einreisestempel. Ich schätze maximal 50 Touristen passieren hier täglich die Grenze. Bis hierher ist uns auf 200 km kein einziges Auto entgegen gekommen.
Ich denke, ohne die Organisation der Fahrt durch Erali, wäre es für uns deutlich schwieriger gewesen, die Grenzkontrollen zu durchlaufen. Unsere Fahrer schienen überall bekannt zu sein. Und der eine oder andere Geldschein hat auch den Besitzer gewechselt.
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Kyzyl-Art-Pass ... |
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... mit Grenzgebäude |
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Taxi-Wechsel auf ... |
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... 4.336 hm ... |
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... im Niemandsland |
12:30. Ab Bor-Dobo geht's auf einer lehmigen, kaputten Strecke runter nach Sarytash. Eine Straße ist faktisch nicht vorhanden. Viehwirtschaft, Yurten, grüne Hänge, rote Erde, Murmeltiere.
7 Radler haben wir überholt und ich hab keinen einzigen beneidet.
Von Sarytash geht's nochmal einen Pass (3.600 hm) rauf. Der Asphalt ist grottig, wird aber besser. Nun sind's noch rund 170 km abwärts bis Osh auf rund 1.000 hm.
16:30. Nach gut 9 Stunden haben wir Osh erreicht.
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Osh |
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